Digital Medicine – Neue Herausforderungen für Markenrechtsexperten

Digital Medicine – Neue Herausforderungen für Markenrechtsexperten

1.9.2016

Ärzte und Krankenhäuser sind vernetzt und nutzen die Vorteile des digitalen Datentransfers. Neue IT-Anwendungen – wie etwa die elektronische Gesundheitsakte – dominieren die Diskussion. Daneben entwickeln Pharmaunternehmen Inhalatoren mit Sensoren, die Patienten an die Einnahme ihrer Medikamentendosis erinnern. Selbst Google ist auf diesen Zug aufgesprungen und hat mit der Firma Alcon Kontaktlinsen entwickelt, welche jede Sekunde die Glucosewerte in der Tränenflüssigkeit messen. Das Resultat der Blutzuckermessung soll dann beispielsweise drahtlos auf Handys oder Smartphones übertragen werden. Damit könnte 382 Millionen Diabetikern bei der Überwachung ihres Blutzuckerspiegels geholfen werden. Das ist Digital Medicine.

 

Auch auf den Markenschutz werden diese Innovationen Einfluss haben. Heute ist es etwa üblich, vor der Einführung eines neuen Medikaments eine Markenrecherche in der Klasse 5 (Arzneimittel) durchzuführen. In Hinkunft wird es allerdings auch notwendig werden, in den „IT-Klassen“ (Klasse 9 und Klasse 42) nach ähnlichen Kennzeichen zu suchen, um eine Kollision zu vermeiden. Gerade in diesen Klassen werden die meisten Marken angemeldet. Deshalb ist die Gefahr eines potentiellen Eingriffes schon rein statistisch gesehen sehr hoch.

 

Apps werden notwendig sein, um die Daten von Sensoren auszuwerten und Patienten an die Einnahme ihres Medikaments zu erinnern. Deshalb wird auch eine Namens- bzw. Werktitelrecherche in den App-Stores erforderlich werden.

 

Zudem wird sich auch die Judikatur in Zukunft damit auseinandersetzen und klären müssen, ob klassische Pharmamarken Kennzeichenrechte im Soft- oder Hardwarebereich verletzen können. Bislang ist die Rechtsprechung mit der Annahme von Warenähnlichkeit zwischen Arzneimitteln und IT- Geräten zurückhaltend. Im Fall Biopharma vs Proteus Digital hatte das EUIPO eine Markenverletzung zwischen den Zeichen PROTELOS und PROTEUS mit der Begründung verneint, dass zwischen Datenverarbeitungsgeräten (Klasse 9) und Medikamenten (Klasse 5) keine Ähnlichkeit besteht (EUIPO Nr. B2012493 vom 20.5.2015). Ob diese Rechtsprechung langfristig Bestand haben wird, wenn IT- Dienstleistungen und Geräte mit pharmazeutischen Produkten verschmelzen, ist fraglich, zumal sich Ärzte und Patienten mit neuen Formen der Medikamenteneinnahme und -verabreichung sowie deren Kontrolle früher Befassen werden müssen, als man das erwartet. Zudem wird man sich auch überlegen müssen, wie man durch geschickte Formulierungen des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses Eingriffe vermeiden kann. 

 

Beitrag von: Rechtsanwalt Markus Grötschl